Gehirn verarbeitet Sinnesinformationen bei schlechten Lernern nicht ausreichend
Eine Erklärung dafür, warum manche Menschen schlechter lernen als andere, liefert jetzt ein Forscherteam aus Berlin, Bochum und Leipzig. Das Hauptproblem ist die unzureichende Verarbeitung der zu lernenden Informationen an den entscheidenden Stellen des Gehirns. Der Artikel des Forscherteams der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Ruhr-Universität Bochum, der Humboldt-Universität zu Berlin und des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften ist in der aktuellen Ausgabe des Journal of Neuroscience* veröffentlicht.
In ihrer Studie trainierten die Wissenschaftler den Tastsinn von 26 Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern, indem sie die Haut an der Hand 30 Minuten lang wiederholt elektrisch stimulierten. Vor und nach dieser Stimulation testeten sie die sogenannte Zwei-Punkt-Diskriminationsschwelle – ein Maß für die Sensibilität des Tastsinns. Dabei übten sie mit zwei Nadeln sanften Druck auf die Hand aus und bestimmten den kleinsten Abstand zwischen den Nadeln, bei dem der Proband sie noch als separate Reize wahrnehmen konnte. Im Durchschnitt verbesserte das passive Training die Diskriminationsschwelle um zwölf Prozent. Weiterhin zeichneten die Berliner und Leipziger Kooperationspartner vor und während des passiven Lerntrainings das spontane EEG der Probanden auf. Dann identifizierten sie diejenigen Komponenten der Hirnaktivität, die mit einer Verbesserung beim Diskriminationstest zusammenhingen. Entscheidend waren die Alpha-Wellen, also die Hirnaktivität im Frequenzbereich von 8 bis 12 Hertz. Die Versuchsergebnisse zeigten: Je höher die Alpha-Aktivität vor dem passiven Training, desto besser lernten die Probandinnen und Probanden. Außerdem lernten sie umso leichter, je mehr die Alpha-Aktivität während des passiven Trainings abnahm. Diese Effekte traten über dem somatosensorischen Kortex auf, also dort, wo der Tastsinn im Gehirn verortet ist.
„Eine spannende Frage ist nun, inwieweit sich die Alpha-Aktivität willentlich beeinflussen lässt“, sagt Privatdozent Dr. Hubert Dinse vom Neural Plasticity Lab der Ruhr-Universität Bochum. „Das könnte enorme Implikationen für die Therapie nach Hirnschädigung oder ganz allgemein für das Verständnis von Lernvorgängen haben.“ „Wie der Alpha-Rhythmus es schafft, das Lernen zu beeinflussen, untersuchen wir mit Computermodellen“, sagt Privatdozentin Dr. Petra Ritter, Leiterin der Arbeitsgruppe BrainModes an der Berliner Charité und am Max-Planck-Institut in Leipzig. „Erst wenn wir die Art der komplexen Informationsverarbeitung des Gehirns verstehen, können wir ganz gezielt in die Prozesse eingreifen, um bei Störungen zu helfen“, fügt Petra Ritter hinzu. Neue Therapieansätze zu entwickeln, ist das gesteckte Ziel des Kooperationsnetzwerkes, das Ritter koordiniert, des internationalen „The Virtual Brain“-Projektes, an dem ihr Team beteiligt ist, und des von Dinse geleiteten Neural Plasticity Lab an der Ruhr-Universität Bochum.
* F. Freyer, R. Becker, H.R. Dinse, P. Ritter (2013): State-dependent perceptual learning, Journal of Neuroscience, doi: 10.1523/JNEUROSCI.4039-12.2013
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Artikel im Journal of Neuroscience
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Privatdozentin Dr. Petra Ritter
Klinik für Neurologie
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